Nils Pooker befasst sich auf Create or Die mit dem Thema Erbsenzählerei und Berufsverbesserer und macht sich in Tipps vom Verbesserer etwas Luft.
Zeile 134 offenbart das Grauen, weil dort jemand ein nicht maskiertes Ampersand entdeckt hat.
Das darf man nicht falsch verstehen. Nils, genauso wie ich, legt allerhöchsten Wert auf sauberen Quellcode und allgemein Top-Qualität im Webdesign. Das oben erwähnte Beispiel ist vielleicht auch etwas extrem. Dennoch ist es gut geeignet, für die Thematik zu sensibilisieren.
Kritik der Kollegen
Kritik von den Kollegen ist immer härter und haben sie auch eher im Detail was auszusetzen, als der Durchschnittskunde. Das ist normal und eigentlich auch gut so. Eben wenn die Kritik konstruktiv vorgetragen ist und die Umstände beachtet werden, die sich ggf. auf ein Endergebnis ausgewirkt haben. Das betrifft oft nur handwerkliche Fehler. Oft Kleinigkeiten, ohne das hier verniedlichen zu wollen.
Ein anderer Aspekt sind die technischen Lösungsansätze und der Einsatz bestimmter Features. Flash ist böse, immer unzugänglich und schlecht für SEO. Javascript ist das Gift für die Barrierefreiheit. Wer sich auskennt, weiß dass dies nicht so sein muss und es Möglichkeiten gibt, bestimmte Problemstellungen so zu lösen, dass sie dann noch allen Ansprüchen (fast) einhundertprozentig gerecht werden. Das ist der handwerkliche Aspekt.
Kunden versteht man nicht immer
Aber der Artikel enthält noch einen anderen wichtigen Aspekt. Gerade bezogen auf Features und Technologien, oft abseits von vordergründiger Technik, Design und Usability. Flash und Javascript u.a. sind nicht immer böse oder out. Oft sind sie die Konsequenz aus bzw. die Antwort auf die vom Kunden geäußerten Anforderungen. Oder werden sie von diesem schlicht und ergreifend gefordert, weil man das gerade so toll findet oder der Konkurrent das genauso macht.
Es gibt also Features, die uns als Webdesigner aufdringlich, unrein oder oldschool erscheinen. Dem durchschnittlichen Nutzern aber nicht. Und das ist der Punkt. Viele finden es schön, wenn’s bunt ist, blinkt usw. Auch kommt man nicht immer – trotz guter fachlicher Gegenargumente – um dynamische Navigationen herum. Auch wenn die Website inhaltlich nur eine Ebene und sechs Unterseitchen umfasst. CI und persönlicher Geschmack des Kunden spielen tatsächlich auch eine Rolle.
Kundenwünsche haben oberste Prio
Und so muss man sich eben den Kundenwünschen mal fügen und schlicht und ergreifend das umsetzen und liefern, was sie von uns erwarten. Kunden sind zunächst wichtiger, als die Kollegen. Die Angst vor Kollegenschelte im Nacken ist kein guter Berater. Das spricht uns aber nicht frei davon, zu versuchen, die Kunden von Fall zu Fall in eine andere Richtung zu beraten, oder Alternativen aufzuzeigen. Gerade in einem solchen professionellen Verhalten, gepaart mit einwandfreiem Handwerk, erreicht man beides: Qualitativ, fachlich und technisch saubere Ergebnisse und zufriedene Kunden.
Die Rangfolge ist ganz einfach:
- Beratung und Anforderungsanalyse
- Kundenwunsch erfüllen
- Adäquater Lösungsansatz
- Saubere Arbeit
- Dokumentation
- Detaildiskussion mit Kollegen
Mir persönlich ist es wichtig, die Kunden zufrieden zu stellen und saubere Qualität abzuliefern – natürlich. Das Sahnehäubchen ist dann aber die konstruktiv geäußerte Kritik von Kollegen. Sie trägt einen großen Teil zur persönlichen Weiterentwicklung bei. Davor steht natürlich die gute Ausbildung und enstprechende Arbeitsweise als Grundvoraussetzung.
Um es zum Schluss nochmal zu betonen. Nils‘ Artikel ist kein Plädoyer für Nachsichtigkeit und Bequemlichkeit, zu Gunsten von Geschwindigkeit und Umsatz. Er sensibilisiert für die Realität des Webdesigners.
Abgesehen vom Thema sind Nils‘ Artikel auch sprachlich immer wieder Highlights. Noch zwei Beispiele:
Nur äußerst selten lernt man jedoch diejenigen kennen, die sich nicht entblöden, auf mikroskopisch kleine Haare in der Suppe zu verweisen.
Wichtig ist auch ein gesunder Validierungsfetischismus.
xwolf sagt:
Was ist mit der Kundenberatung?
Ok, ich weiss, das gerade für Webagenturen dies etwas ist, womit man viel Zeit verbrät und wenig Geld bekommt, aber ist das nicht eines der wichtigsten DInge überhaupt, bevor man Kundenwünsche als solche überhaupt gewichten und interpretieren kann?
Wenn ich einen Kunden ohne vorherige Beratung glücklich stelle, kommt dann nicht am Ende nur ein „chefgerechtes“ Webdesign heraus?
Der Kunde ist dann zwar glücklich, aber die Nutzer der Seite wahrscheinlich nicht.
Von daher würde ich obige Randfolge ergänzen um einen Punkt „0“: Kunden umfassend beraten und aufklären.
(Ich glaub du tust es ja sowieso und hast es nur nicht aufgeführt. Denn um Punkt 1, „Kundenwunsch erfüllen“ umsetzen zu können muss man meist mit denen reden um zu verstehen was die wirklich wollen.
Aber da du ja Detaildiskussion mit Kollegen aufführst, gehört das IMHO als eigener Punkt erwähnt).
Was auch hilfreich bei den letzten Punkten ist, aber auch für einen selber, wenn man noch Jahre später das Projekt betreut und ggf. irgendwann an einem Relaunch sitzt: Dokumentation, warum man etwas so und nicht so gemacht hat.
Mitunter entstehen Entscheidungen wie man etwas umsetzt nicht einfach so nach Anschauen der Standards, sondern aus Erwägungen die sich aus komplexen Zusammenhängen ergeben.
Beispielsweise die Frage der Umsetzung einer FAQ: Wann baut man diese via eigenen Editor oder Autorentool direkt in die Website ein, wie jede andere Siete auch, wann nutzt man eine spezialisierte Onlineanwendung und wie baut man diese nicht nur ein, sondern wie regelt man auch die Bearbeitung?
Oder die Diskussion der Navigation: Wieso tut man diesen oder jenen Punkt so weit oben, warum diesen oder jenen so weit unten. Warum kann eine Navigation nicht einfach nach den Zugriffszahlen aufgebaut sein, usw.
Wenn man später diese Fragen beantworten muss, ist eine Doku sehr wichtig. Wenn man später einen Neurelaunch durchführt ist es eine Sache von Arbeitszeit, wenn man die alten ENtscheidungen noch hat und neu werten oder wieder verwenden kann.
4. November 2009 — 8:45
Björn sagt:
@xwolf: Vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar zum Thema!
Du hast Recht. Die gute Beratumng und Besprechung der Kundenanforderungen habe ich vorausgesetzt. Werde es aber noch ergänzen.
Die Dokumentation sollte auch als Punkt für sich mit rein. Gerade die wird ja oft „vergessen“ 😉
4. November 2009 — 9:28